Fünf Trümpfe des Versuchslabors Europa

Und wenn das Schlimmste nicht gewiss wäre? Um die LeserInnen nicht völlig verzweifeln zu lassen, hat „Le Monde Eco & Entreprise“ am Vorabend der Sommer-pause eine Botschaft des Optimismus  gegen die andauernde Tristesse ausgewählt. Nein, Europa ist kein Kontinent am Rande des Abgrunds, kein tragischer Beobachter seines eigenen Untergangs, wie der Prinz Salina im „Leopard“, der das Ende seiner Welt sieht und versteht, ohne sich dagegen aufzulehnen.

 

Die Krise des Euro und die Welle der Sparpläne, die sie begleiten,  trüben oder überdecken sogar eine Wirklichkeit: die der Kraft eines Kontinents, der mit einzigarten Trümpfen Welt ausgestattet ist. Wir haben willkürlich fünf davon ausgewählt, die sowohl Schwächen als auch Aktionshebel sind.

 

Zuerst: Europa ist reich. Der Binnenmarkt von 500 Millionen kaufkräftigen KonsumentInnen ist die Drehscheibe des internationalen Handels geworden. Weder Asien noch Amerika können ohne Europa florieren. Europa ist reich auch dank seiner Produktion, seiner Unternehmen, seiner Infrastruktur, seiner öffentlichen Dienstleistungen, alle ohne Gleichwertiges – weltweit.

 

Europa ist auch vielfältig. Wegen seiner langjährigen Geschichte, seiner kulturellen Vielfalt, der Fülle seiner Wirtschaft, seiner Initiativen bietet es eine Palette von Möglichkeiten sowohl im Hinblick auf Konsum als auch auf schöpferische Innovation.

 

Sein dritter Trumpf ist Qualität – zuallererst für die Menschen. Keine andere Weltgegend bietet ein derartiges Potential an Ausbildung, besitzt ein derartiges Reservoir an Talenten. Die Qualität seiner Umwelt erhöht wiederum seine Attraktivität. Es ist primäre touristische Zieldestination, aber auch für Investitionen.

 

Europa ist solidarisch. Seine öffentlichen Ausgaben für Gesundheit, Pensionen, Beschäftigung und den Kampf gegen die Armut sind weitaus höher als anderswo. Aber diese Ausgaben, wie jene im Bereich Ausbildung sind eine Investition in die Zukunft und ein Garant für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Europa ist auch ein Einwanderungsgebiet, welches eine Brücke zu Afrika schlägt, einem Hoffnungsgebiet für das 21. Jhdt.

 

Zuletzt: Europa ist Weltmeister im Management von komplexen Zusammenhängen. Es zu schaffen, sich in einem Binnenmarkt, in einer gemeinsamen Währung, in einem derartigen Mosaik von Kulturen, Mentalitäten, Wirtschaften und politischen Systemen zu einigen, grenzt an ein Wunder. Ein Wunder, das sicherlich durch die Krise in Frage gestellt oder sogar geschmäht wird. Dennoch: Welche andere Weltgegend konnte eine derartige Annäherung auf völlig demokratische Weise, im Geiste der Rechtsstaatlichkeit wagen?

 

Reichtum, Vielfalt, Qualität, Solidarität, Komplexität….Diese Kombination macht aus Europa ein Versuchslabor in einer sich wandelnden Welt. Ein Labor, das alle beobachten. Ein Labor – gleichermaßen fragil und Träger großer Hoffnungen.

 

Übesetzung des Textes der Papierausgabe vom 17. Juli 2012. Dieser enthält ausführliche Kommentare und Statistiken zur Untermauerung der Agrumente.

 

Margareta Stubenrauch, 26. Juli 2012