Norwegen und die EU - Wer braucht wen?
In guter Tradition organisierte Wir Sind Europa bereits zum 9. Mal eine Veranstaltung rund um den "Eurovision Song Contest". Nach
Estland, Lettland, der Türkei, der Ukraine, Griechenland, Finnland, Serbien und Russland stand am 29. Mai 2010 Norwegen im Mittelpunkt.
Rund 250 Gäste folgten der Einladung zum norwegischen Abend in die Diplomatische Akademie, der in Kooperation mit der Könglich-Norwegischen Botschaft, der
Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich und der österreichisch-norwegischen Gesellschaft veranstaltet wurde.
Nach filmischen Impressionen, die die große Vielfalt Norwegens aufzeigten, konnten die BesucherInnen durch die zweisprachige Moderation von Annika Tschokert und Nadja Wozonig auch einen Eindruck
der norwegischen Sprache gewinnen. Die Podiumsdiskussion stand unter dem Motto "Norwegen und die EU - Wer braucht wen?"
Dabei erläuterte Frau Gesandte Astrid Versto die norwegischen Ambivalenzen zu einer EU-Mitgliedschaft, die 1972 und 1994 zu negativen Referenden geführt hatten. Wichtigstes Argument der
EU-GegnerInnen war und ist die große Distanz nach Brüssel. Ebenso bedeutend erscheint aber auch die Tatsache, dass sowohl die Regierungsparteien als auch die Opposition in der EU-Frage gespalten
sind. Das Thema ist daher für alle Beteiligten "politischer Selbstmord".
Marc Fähndrich, der stellvertretende Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich wies darauf hin, dass Norwegen aber sehr stark an die EU gebunden ist, z. B. durch die
Teilnahme am europäischen Wirtschaftsraum (im Gegensatz zur Schweiz) oder an Schengen. Außerdem ist Norwegen in vielen europäischen Programmen aktiv und stellt dafür auch Geld zur
Verfügung.
Helmut Malnig, der geschäftsführende Obmann der österreichisch-norwegischen Gesellschaft hatte Norwegen schon als Student kennen gelernt und ist dem Land seither stark
verbunden geblieben. Auf die zugegebenermaßen schwierige Frage, was typisch norwegisch sei, verwies er auf Ibsens Charaktere und zitierte als besonderes Beispiel die "starke " Frau Nora.
Paul Luif, Politologe am Österreichischen Institut für Internationale Politik, führte Norwegens Skepsis zur EU ähnlich wie Frau Gesandte Versto auf die große geografische Distanz ("Für einen
Norweger ist Hamburg schon Südeuropa") und damit auf geringe kulturelle Gemeinsamkeiten mit dem Rest Europas zurück. Gleichzeitig bescheinigte er den NorwegerInnen große Offenheit, insbesondere
in Fragen der globalen Sicherheit. Als den größten Unterschied zwischen ÖsterreicherInnenn und NorwegerInnen nannte er den Umgang mit Alkohol.
Norwegische Balladen - dargeboten vom Chor der Skandinavistik - und die zeitgenössische Novelle "Ute med hunden" von Frode Grytten, übersetzt und gelesen von Annika Tschokert rundeten den interessanten Abend ab.
Margareta Stubenrauch, 2. Juni 2010