Was bringt der Reformvertrag?

Gleichzeitig mit dem Europäischen Rat von Lissabon, auf dem sich die Staats- und Regierungschefs auf den Reformvertrag einigten, veranstaltete Wir Sind Europa am 18. Oktober 2007 exklusiv für seine Mitglieder einen Jour Fixe, bei dem uns die Europarechtsexpertin Dr. Anna-Muner-Bretter aus dem Lebensministerium das neue Vertragswerk vorstellte.

Zu Beginn bedauerte die Referentin die teilweise oberflächliche Medienberichterstattung in Österreich, anlässlich des Europäischen Rates vom Juni 2007, bei dem bereits viele Eckpfeiler des Reformvertrages festgelegt wurden. Als wesentlichste Erfolge sah sie die einheitliche Rechtspersönlichkeit, die Rechtsverbindlichkeit der Grundrechts-Charta (mit den bedauerlichen Ausnahmen für Großbritannien und Polen), die verstärkte Einführung von qualifizierten Mehrheitsentscheidungen, was auch mehr Mitentscheidung für das Europäische Parlament bedeutet und die BürgerInnen-Initiative. Auf der Negativseite sah Frau Dr. Muner besonders Abkehr von der Konvents-Methode, die wesentlich transparenter ist als die klassische Regierungskonferenz. Den in den Medien so häufig kolportierten Ausnahmen für Polen (Beibehaltung der Einstimmigkeit bei besonderen Fragen) maßen alle Beteiligten wenig praktische Bedeutung bei. Die Stärkung des Europäischen Rates und dessen Verschränkung mit der Europäischen Kommission über den Hohen Vertreter für die Außenpolitik, der gleichzeitig Vizepräsident der EK ist, lässt viele Entwicklungen zu. Einerseits kann es sich um einen Klub der „Big Boys“ handeln, der alle Entscheidungen für sich beansprucht, andererseits kann man darin auch die Keimzelle einer gemeinsamen europäischen Regierung sehen.

Wir Sind Europa zieht folgende Schlüsse:

  • Wir bedauern das Wegfallen der gemeinsamen europäischen Symbole wie Fahne und Hymne, die bei all ihrer Problematik identitätsstiftend hätten wirken können.
  • Wir werden die Entwicklungen des Zusammenspiels eines gestärkten Europäischen Rates mit der Europäischen Kommission interessiert verfolgen.
  • Wir begrüßen die europäische BürgerInnen-Initiative. Wir stellen mit Sorge fest, dass einige Mitgliedsstaaten sich bei so essentiellen Bereichen wie den Grundrechten Ausnahmen herausverhandeln konnten.
  • Daher sehen wir den Reformvertrag als das, was er ist: ein neuer Vertrag, aber keinesfalls eine europäische Verfassung.

 

Margareta Stubenrauch, 22. Oktober 2007