Grundlagen
Der Vertrag von Lissabon sieht als neues Instrument der Politikgestaltung eine Europäische BürgerInnen-Initiative vor. Demnach können "Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, deren Anzahl mindestens eine Million betragen und bei denen es sich um Staatsangehörige einer erheblichen Anzahl von Mitgliedsstaaten handeln muss, [..] die Initiative ergreifen und die Europäische Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht jener Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen."
Die Details wurden in der EBI-Verordnung festgelegt. Dort ist auch die Mindestanzahl der UnterzeichnerInnen pro Mitgliedsstaat geregelt, in Österreich sind es 12.750. Heute (1. April 2012) endet die Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten. Das von der Europäischen Kommission zu erstellende Register mit ausführlichen Informationen zur EBI ist bereits online. Auch die zwischen der Europäischen Kommission und der Republik Österreich geschlossene Europapartnerschaft "Zukunft Europa" betreibt eine Informationsseite zur EBI.
Durchführung
Zum Start einer EBI muss sich ein Komitee aus natürlichen Personen aus mindestens sieben Mitgliedsstaaten bilden und die Initiative bei der Europäischen Kommission registrieren. Diese entscheidet innerhalb zweier Monate über die Zulässigkeit der Initiative. Danach ist ein Jahr Zeit, um eine Million Unterschriften aus mindestens einem Viertel der Mitgliedsstaaten zu sammeln. Dies kann auf Papier oder online erfolgen. Die Anforderungen für online-Systeme sind in der Verordnung EU/1179/2011 festgelegt.
Die Bestimmungen für die UnterzeichnerInnen sind in den Mitgliedsstaaten unterschiedlich geregelt. Österreich verlangt, wie viele andere auch, die persönliche Identifizierung z. B. über die Reisepassnummer.
Die zuständige nationale Behörde (in Österreich das Innenministerium) prüft die Gültigkeit der Unterstützungserklärungen innerhab von drei Monaten und stellt ein Zertifikat aus. Wenn eine Million Unterschriften erreicht ist, hat die Europäische Kommission drei Monate Zeit, um auf die Initiative zu reagieren.
Einschätzung
Wir Sind Europa hält die EBI für ein interessantes neues Instrument für die Mitgestaltung europäischer Politik durch die Zivilgesellschaft. Vor zu großen Erwartungen wird allerdings eindringlich gewarnt. Dies liegt zum einen an der inhaltlichen Einschränkung: Es muss sich um Vorschläge zur Umsetzung der Verträge handeln. Vertragsänderungen können nicht Gegenstand der EBI sein. Dies schließt viele Bereiche aus, die derzeit nicht "europäisch" geregelt werden, insbesondere in der Sozialpolitik. Zudem sind die bürokratischen Hürden zwar nicht unüberwindbar, aber doch beträchtlich und für kleine Initiativen - wie Wir Sind Europa - nicht zu meistern.
Wir Sind Europa wird jedoch die Entwicklungen aktiv verfolgen und laufend über EBIs anderer Einrichtungen informieren.
Margareta Stubenrauch, 1. April 2012